OGD2012: Open Government Data Konferenz in Linz

Die zweite österreichische Open Government Data Konferenz, kurz OGD2012, tagte in diesem Jahr in der oberösterreichischen Hauptstadt und freute sich über rund 100 TeilnehmerInnen, die einen Tag lang das Thema “Offene (Regierungs-)Daten” beackerten. 31 ExpertInnen diskutierten dank vier Sessions, zwei Podiumsdiskussionen und zwei Keynote-Speeches mit dem Publikum über Chancen und Hemmschuhe in der Arbeit mit OGD. Hier die inhaltlichen Highlights.

von Lisa Fuchs, Thomas Gegenhuber und Ingrid Gogl

„Sei ein optimistic radical!“

Mit diesen Worte brachte der niederländische Keynote Speaker Ton Zijlstra zu Beginn der Konferenz seine Strategie zur Einführung und Umsetzung von Open Data Projekten auf den Punkt. Der selbstständige Consultant und ständige Autor der ePSI-Plattform präsentierte internationale Beispiele für OGD-Projekte. In den Niederlanden war er maßgeblich an der Einführung von Open Government Data zuständig und berät heute vor Ort öffentliche Institutionen und zivilgesellschaftliche Initiativen. Die Situation von OGD in Europa kommentierte er schlicht mit „We´ve all won“, allerdings blickte er in seiner Rede weniger positiv in die Zukunft. Denn man hätte gerade erst damit begonnen, OGD-Projekte umzusetzen, es gäbe schöne Apps, aber der bleibende Wert würde ihm fehlen. Momentan würde noch wenig auf die nachhaltige Verwertung der Daten gesetzt und auch die bestehenden Apps würden nicht weiter entwickelt. Auch in der Publikationskultur zeigte Zijlstra Schwächen auf: Die Publikation von Daten durch die Behörden sei noch nicht so in der Struktur verankert, dass diese reibungslos bestehen bleibe, wenn ein Personalwechseln anstehe: „Dort wo Daten publiziert werden, weiß man nicht, ob das eine einmalige Aktion war, oder ob es weiter geht.“ Das Wechselspiel zwischen Politik und Verwaltung beschrieb der OGD-Experte ebenfalls als Herausforderung: „Die Politik sagt, wir müssen das machen, aber die Beamten haben wenig Interesse daran.“ Ein gegensätzliches Bild zeichnete zwei Stunden später Brigitte Lutz von der Stadt Wien. Sie zeigte sich erfreut über die politische Unterstützung durch die rot-grüne Stadtregierung, ohne die es die ihr so wichtigen Open Government Data Projekte nicht gäbe.

Überwindbare Hürden?

Zurück zu Zijlstra und den Barrieren für OGD-Arbeit. Der Berater skizzierte in seiner Rede aktuelle Problemfelder: Den Zustand der Open Data Welt bezeichnet Zijlstra als fragmentiert. Zu viele Daten seinen noch unverwendet, zu viele Bereiche nicht abgedeckt. „Wir machen noch Fingerübungen“, sagt Zijlstra, anstatt die gesamte Klaviatur von Open Data zu bedienen. Das Bekenntnis zu Open Data sei noch lange nicht in ausreichendem Maße gegeben. Den BürgerInnen seien die Anwendungsbereiche offener Daten nicht bewusst. Und es mangle an innovativen Businessmodellen zur Verwertung der offenen Daten. Dies führe weiters zu der paradoxen Situation, dass einerseits der Großteil der veröffentlichten Daten nicht genützt werde und andererseits eine Menge wichtiger Daten noch nicht veröffentlicht sei. KritikerInnen könnten also behaupten, die Nachfrage nach weiteren Daten sei nicht gegeben. Zijlstra hingegen ist überzeugt, dass es dennoch weitere Daten aus relevanten Bereichen braucht. So erzählte er beispielsweise davon, dass die Amsterdamer Feuerwehr im Notfall Geodaten über den Einsatzort brauchen könnte. Die Anforderung der Daten dauere aber bis zu drei Tagen. Wenn der Hut brennt, dann sind diese Daten keine Hilfe.

Lösungsansätze

Die Lösung für die Herausforderung rund um Open Data Projekte liege darin, Netzwerke zu bilden und Communitys aufzubauen. Darum seien Events wie die OGD-Konferenz auch so wichtig, so Zijlstra. Zum Schluss warf der Niederländer noch die Frage auf, welche Daten abseits der behördlichen noch in offengelegter Form sinnvoll wären und spielt dabei auf Daten von Unternehmen und privaten Institutionen an. Denn Behörden seien momentan zwar die größten Anwender von offenen Daten, verfügten aber nur über einen Bruchteil an Daten. So könnten beispielsweise die Energeiproduktion oder die Lebensmittelindustrie eine Menge an Daten frei geben, die nützliche Anwendungsbereiche fänden (Berechnung des Energieverbrauchs, Inhaltsstoffe von Lebensmitteln, etc.) Am Ende seiner Keynote Speech versuchte Zijlstra dann doch noch den ZuhörerInnen Mut zu machen und verriet sein Rezept zur Umsetzung von Open Data Projekten. „Sei ein optimistic radical“, so der Experte. Allerdings müssten wir noch „an viele Türen klopfen“, um ans Ziel zu gelangen. Auf die Frage, was man tun könne, um Behörden oder auch Unternehmen davon zu überzeugen, sich an Open Data Projekten zu beteiligen, schilderte er sein Erlebnis bei der Einführung von OGD in den Niederlanden und fasst zusammen: „Man braucht nur einen Mann zu überzeugen“, der das Projekt letztlich in die Hand nimmt. „Meiner hatte damals ein blaues Hemd an“, so  Zijlstra weiter. „Sie müssen nur Ihren Mann im blauen Hemd finden.“

Von Open Data zu Open Source

Prof. Dirk Riehle von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen Nürnberg zeigte sich in seinem Vortrag davon überzeugt, dass Open Data von Open Source im Bereich der Geschäftsmodelle etwas lernen könne. Open Source werde nicht nur von HobbyistInnen vorangetrieben wie das Beispiel Linux 2.6.20 zeigt: 65 Prozent des Codes wurden von Personen entwickelt, die für Unternehmen arbeiten (http://lwn.net/Articles/222773/). Dirk Riehle stellte in seinem Vortrag vier nachhaltige Open-Source-Geschäftsmodelle vor. Erstens: die “Single-Vendor Open Source Firms”. Diese Unternehmen entwickeln eine Community und eine kommerzielle Version. Die Community-Version, die weniger Funktionen hat, wird genützt um einen Fuß in die Türe potenzieller KundInnen zu bekommen (z.B. MySQL). Zweitens: Open Source Distributors wie RedHat. Diese verkaufen Unternehmens-Softwaree und haben das Know-how, Komponenten zu integrieren und KundInnen in einfacher Form zur Verfügung zu stellen. Drittens: Open Source Developer Foundations ist ein Zusammenschluss von Software-HerstellerInnen, um gemeinsam Open Source Software zu entwickeln und zu managen (z.B. Mozilla Foundation). Viertes: Sogenannte User Foundations, also der Zusammenschluss von AnwenderInnenorganisationen wie etwa Banken, Universitäten oder öffentlichen Verwaltungen, die gemeinsam eine Entwicklung von Open Software sponsern. Die TeinehmerInnen erhoffen sich niedrigere Kosten (durch weniger Lizenzkosten), mehr Flexibilität und mehr Berechenbarkeit durch die Bildung eines eigenen “Ecosystems”. Die einzelnen TeilnehmerInnen können jederzeit bestimmte Ergänzungen zur gemeinschaftlichen Software in Auftrag geben. Es gibt zwar auch vertragliche Beziehungen in diesem Modell, diese sind aber weit flexibler als bei einem Closed-Software-Projekt. In anderen Worten: Open Source reduziert die Transaktionskosten für die Erstellung von AnwenderInnen-Konsortia. Im Profit-Bereich reicht schon eine Gruppe von fünf bis sieben Unternehmen aus, um ein solches Konsortium zu bilden.

Open Data in der Stadt und in der Gemeinde

Barbara Meyer von der Graz stellte kurz die Entstehungsgeschichte von der Open Data Government Initiative in Graz vor. Im Juni 2011 wurde das Thema erstmals im Gemeinderat behandelt, am 18. Juni 2012 ging die Plattform mit 71 Datensätzen online. Dabei hält sich Graz an die Vorgaben der OGD Österreich. Das politische Interesse in Graz war vorerst nur mäßig ausgeprägt, auf der anderen Seite wurden auch keine Hürden für das Projekt aufgestellt. Bedenken wie etwa Datenschutz, Mehrwert für die Verwaltung und das Zulassen dass andere mit den Daten der Verwaltung Geld verdient, konnten ausgeräumt werden. Erfolgsfaktoren waren unter anderem das Ernten von “Low Hanging Fruits”, also das Veröffentlichen von Daten die ohnehin bereits öffentlich sind, und die Möglichkeit von den Projekten in Wien und Linz zu lernen.
Aber nicht nur in den existieren Open Data Initiativen. Engerwitzdorf, eine Gemeinde im Großraum Linz ist seit den 1990er Jahren ständig die Verwaltung modernisiert. Die Gemeinde hat rund 8.500 EinwohnerInnen, 20 Dienststellen und ein jährliches Budget von 12 Millionen Euro. Der Beschluss einen Open Data Prozess zu starten wurde einstimmig im Gemeinderat getroffen. Unterstützung bekam Engerwitzdorf von dem Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ), welches ein 4-Phasen Open Government Data Modell entwickelt hat (http://www.kdz.eu/de/webfm_send/1206). Folgende Problemfelder ergeben sich für kleine Gemeinden bei Open Data: Eigene Datenportale sind zu aufwendig, Insellösungen sollen vermieden werden. Aber es gibt noch keine konkreten Angebote (Bund/Bundesrechnungszentrum, Länder bzw. große Städte als Hoster). Weiters muss die Kommunalsoftware weiterentwickelt werden, um eine automatisierte Veröffentlichung der Daten (inklusive Metadaten) auf Knopfdruck zu ermöglichen.

Datenjournalismus noch in den Kinderschuhen

Ansgar Mayer von der Axel Springer Akademie argumenierte das im Datenjournalismus die Datenbank Ausgangspunkt und Werkzeug sind, der/die Journalistin hat die Aufgabe zu kuratieren und zu bewerten. Best Practice Beispiele sind das “Do not Harm” Projekt über die Situation der Krankenhäuser in Las Vegas. 2, 9 Millionen Dokumente wurden innerhalb von zwei Jahren untersucht, das Resultat waren letztlich sechs neue Gesetze, die beschlossen wurden um die Situation zu verbessern. Dieses Projekt hätte schneller bewätligt werden können, wenn man die Crowd miteinbezogen hätte. Mayer: “Datenbanken sind keine Einbahnstraße, man kann und soll die Crowd miteinbeziehen”. The Guardian Data Blog hat dieses Prinzip erfolgreich umgesetzt. Robert Vaga von der APA Österreich meint, dass die meisten Datenjournalismus Projekte derzeit nur Leuchttürme sind. Im Regelbetrieb ist Datenjournalismus noch nicht angekommen. Stolpersteine sind die Organisation eines neuen Workflows, die Kosten, die technische Infrastruktur, das Know-How der MitarbeiterInnen und die Verfügbarkeit von Datenquellen. Die APA will sich daher als Intermediär zwischen den Rohdaten (Datenquellen) und den Verlagen/LeserInnen positionieren. Ziel ist die Zusammenführung und Darstellung von Datensätzen und ein funktionierendes Schnittstellenmanagement. Der Prototyp der Platt kann unter visual.apa.at erreicht werden; mit dem Geschäftsmodell wird derzeit noch experimentiert. Schließlich stellte die Londoner Datenjournalistin Frederica Cocco ihre international bekannte Projekte vor wie etwas die Visualisierung der Festung Europa.

Was das Österreichische Medien-Transparenzgesetz mit Open Data zu tun hat

Der Jurist Florian Philapitsch von der Kommunikationsbehörde Austria, kurz KommAustria, erklärte wie das mit 1. Juli in Kraft getretene Medien-Transparenzgesetz (MedKF-TG) mit Open Data zusammenhängt. Die KommAustria ist laut dem neuen Gesetz dazu verpflichtet, die im Rahmen der Meldungen von 5.146 Rechtsträgern gesammelten Daten zu veröffentlichen. Wie und wo die Veröffentlichung stattzufinden hat, ist im Gesetz nicht spezifiziert.

Da die KommAustria als Behörde die Daten über die Investition öffentlicher Gelder in in- und ausländische Medien selbst weder bewerten noch interpretieren darf, sollen die gesammelten Daten als Open Government Data zur Verfügung gestellt werden. Ab 15. Dezember 2012 soll man somit über das österreichische Open Data Portal  (http://data.gv.at/) abrufen können, von wem in Österreich wie viel Geld an welches Medium fließt. Man darf gespannt sein, wie diese Daten im Winter 2012 dann von JournalistInnen, WissenschafterInnen und anderen interpretiert werden. Eine spannende Info am Rande ergab sich in der Fragerunde nach dem Vortrag: Da gesammelte Daten laut Medien-Transparenzgesetz der Veröffentlichungspflicht unterliegen, sind sie frei von UrheberInnenrechten.

Hack the System – transparenzgesetz.de

Aus eine Volksinitiative wird ein Gesetz. Und das in weniger als einem Jahr. Daniel Lenfter erzählte im Panel “Transparenz und Demokratie” den Weg des Hamburger Transparenzgesetzes (http://www.transparenzgesetz.de/). Nach einer Volksinitiative mit knapp 15.000 Unterschriften war 2012 eigentlich geplant, ein Volksbegehren zu starten und das Gesetz 2013 mittels Volksentscheid abzustimmen. Doch es brauchte weder Volksbegehren noch Volksentscheid. Am 13. Juni 2012 wurde das Transparenzgesetz von dem Hamburger Landesparlament einstimmig beschlossen.

Die Initiative des Transparenzgesetzes stand unter dem Motto “Transparenz schafft Vertrauen”. BürgerInnen sollten nicht nur das passive Recht auf Information haben, sondern die Verwaltung sollte aktiv Informationen zur Verfügung stellen. Eine Realität von der man in Österreich allerdings nur träumen kann. Initiativen wie amtsgeheimnis.at setzen sich hierzulande aktiv für ein Recht auf Information für BürgerInnen ein. Bislang gibt es noch kein Informationsrecht für BürgerInnen. Aber vielleicht kann man sich von den deutschen KollegInnen für die Zukunft einen weiteren Schub Motivation und Inspiration holen.

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Die AutorInnen:

Lisa Fuchs hat Politische Kommunikation studiert und ihre Master Thesis dem Thema “Digitale Demokratie” gewidmet. Sie ist bei der datenwerk innovationsagentur als Consultant für soziale Medien beschäftigt und derzeit in Mutterschutz.
Twitter: https://twitter.com/#!/lisafuchs
Blog: http://posome.wordpress.com/

Thomas Gegenhuber studierte Betriebswirtschaftslehre. Momentan forscht er an der Johannes Kepler Universität in Linz zu den Themen Crowdsourcing, Innovation und Kreativität.
Twitter: https://twitter.com/#!/gegenhuber
Blog: http://www.thomas-gegenhuber.at/blog/

Ingrid Gogl ist Politikwissenschafterin und verfasste ihre Diplomarbeit zum Thema „Government 2.0″ an der Universität Wien. Sie arbeitet ebenfalls als Social Media Beraterin bei der Wiener Web-Agentur datenwerk.
Twitter: https://twitter.com/#!/eskarina
Blog: http://weblog.datenwerk.at/