„Windows versus Linux“ @ Berlin Open '09
_ Leonhard Dobusch präsentiert „Großstädtische Migrationsprojekte im Vergleich“ auf der „Berlin Open’09“
Am 22. Juni kontrastiert „Freie Netze. Freies Wissen.“-Herausgeber Leonhard Dobusch im Rahmen der erstmals, und zwar vom Team des Open Source Jahrbuchs, organisierten Konferenz „Berlin Open“ die Versuche großer Stadtverwaltungen wie München, Wien oder Berlin, Freie und Open Source Software auf ihren Desktop-Computern einzuführen (siehe auch: „Booklink: ‚Windows versus Linux‘„). In der Ankündigung liest sich das wie folgt:
„‚Von Microsoft kommt man nicht weg.‘ So formulierte der Münchner Stadtrat Gerd Baumann die „ganz allgemeine Vorstellung“, die 2001 auch in seiner Stadtverwaltung vorherrschend war. Die vorliegende Arbeit untersucht aus Sicht der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung, was gerade für große Organisationen einen Wechsel der Desktopsoftwareumgebung so schwer macht – und wie und warum es manche dennoch versuchen.
Diese Frage wird vergleichend an Hand von vier Stadtverwaltungen – Berlin, Frankfurt/M., München und Wien – untersucht, nimmt aber aus mindestens zwei Gründen für sich in Anspruch, auch für Unternehmen aufschlussreich zu sein: Erstens, Unternehmen und Stadtverwaltungen sitzen im Markt für Desktopsoftware im selben Boot. Sie sehen sich als Nachfrager dem de facto Monopolisten Microsoft und dessen Preis- und Modellpolitik mehr und mehr ausgeliefert. Auf den Arbeitsplatzrechnern dominiert seit Jahren im privaten wie im öffentlichen Sektor Windows als Betriebs- und Microsofts Suite als Office-System. Zweitens sind es Stadtverwaltungen, die als Pioniere einen Wechsel der Desktopsoftwareumgebung weg von Microsoft hin zu Freier und Open Source Software – GNU/Linux – nicht nur überlegt, sondern auch tatsächlich im großen Stil in Angriff genommen haben. „
Die Konferenz beschäftigt sich – wie schon der Titel naheliegt – keineswegs nur mit Software, sondern liefert auch eine Reihe interessanter Vorträge zu Themen wie Geodaten, Netzneutralität sowie der Musikwirtschaft. Details liefert der vollständige Ablaufplan .
“This is not a feature. It's a bug.”
_ FNFW-Autorin Barbara Hofmann über Cory Doctorows Auftritt auf der re:publica09 in Berlin
Cory Doctorow ist ein rasant sprechender kanadischer Science Fiction Autor und Journalist, der mittlerweile in London lebt, regelmäßig bloggt (unter anderem auf BoingBoing) und Vorträge zu aktuellen UrheberInnenrechtsfragen hält. Erst kürzlich war Cory Doctorow auf der re:publica09 in Berlin zu Gast, einer Konferenz, zu der rund 1.400 BloggerInnen und andere NetzbewohnerInnen pilgerten. In einem unterhaltsamen, rund fünfzig minütigen Vortrag brachte er sämtliche aktuellen netzpolitischen Fragen anschaulich auf den Punkt. Bereits innerhalb weniger Sekunden redete er sich über die regelmäßigen Einspielungen der Filmindustrie zu Beginn eines jeden Kinofilmes in Fahrt:
close second behind in the Olympic race for dumbest commercial strategy is calling the costumers thieves, … You know, you spend 15 euros to go to a movie and you sit down and you put your hand in your popcorn. And a giant advertisement appears saying ‚You are all thieves. I know you are thieves. You download your media without permission and if you see any one in this room who has got a camera held up to their eye if you see that camera come out of their pocket tell on them. Go and find a police man and tell on them‘, because of course we all know that telling on your neighbours is one of the great characteristic of a free society. …” Weiterlesen
Und rasch ging es weiter zu den “three strikes out”-Diskussionen quasi der Internetabschaltung bei UrheberInnenrechtsverletzung, wo Doctorow mit ironischem Unterton Internetabschaltungen für Bertelsmann und Co forderte, sobald diese drei Mal UrheberInnenrechtsverletzungen begehen.
The entertainment industry claims that these sorts of measures like notice and take-down, termination, filtering and so on, that have all these terrible effects that assist censorship, that cut of people from their governments and families, that these are requirement if we are going to continue to have media in the twenty first century. They say ‚Here is a loaded gun. You can either shoot three million dollar movies or the internet‘. And if it’s that choice I would say shoot the movies.
Auch auf das Digital Right Management (DRM), Verfahren zur Kontrolle der Nutzung digitaler Medien wie DVDs ging er näher ein:
This is not a feature. It’s a bug. Designing devices to allow remote policy to be set on them against the owner’s wishes and knowledge is not a good design for technology-companies to pursue and that’s the other problem with it …
Einen der gewichtigsten Punkte in seinem Vortrag bildete die Möglichkeit des Internets zusammenzuarbeiten. In netzpolitischen Diskussionen wird allzuoft nur die UrheberInnenrechtsfrage gesehen, aber nicht die Chance der Zusammenarbeit::
The internet copying power is not its main attraction. … The main attraction on the internet … is its power to allows us to collaborate. … The internet is the best collaboration machine we have ever built and that is an even more important human dream than universal access to all human knowledge, which is what we get from perfect copying. What we get from perfect collaboration is the ability to be literally super human, that that much we could do on our own is merely human but when we get together with other people and we do more than any one of us could do on our lonesome. We do something that is literally super human, something that is more that anyone of us could do on our own. This has been the core task of everyone who has ever tried to organize a political movement or religion or corporation or cooperative or conference or even to get a bunch of people together for dinner, is to do more than one person could do. And in 1937 Ronald Coase, who was the first chief economist of the american federal communication commission published a paper called “The Nature of the Firm” for which he won the Nobel prize in economics in which he proposed that collaboration cost. The cost of getting people to work together was in fact the most important characteristic of any enterprise be it a religion, be it a coporation, be it a terrorist group, be it a group of authors collaborating on an anthology and that the mechanism that groups of people found to enable themselves to collaborate more cheaply where those mechanism that determent how much they could get done. …
Schließlich unternahm er einen kurzen Ausflug zu Wikipedia, dessen Glaubwürdigkeit und vor allem einen Vergleich mit den Medien, der zum Schmunzeln verleitete:
Wikipedia is amazing. There are sceptics on wikipedia who say “Oh, not everything is as true as I thought it would be. Or I look at the discussion page and I see that people disagree about the truth of it.” But, you know, I worked in newspapers and I know that there are lots of days when there are stories published on the front page that most of the people in the editorial room think are bullshit but it is rare that you look at the front page of the International Herold Tribune and see a little box next to the headline that says ‚The editor published this though even nine of ten reporter think it is garbage‘ .
In einem Futurezone-Interview auf der re:public endete er wohl über seine eigene Lebensphilosophie:
Viele Geeks haben diesen Nerd-Determinismus. Sie sagen: „Unsere Technologie ist besser als eure Gesetze.“ Sich in die Politik einzumischen ist wohl der wichtigste Punkt. Denn wenn sich jemand nicht in die Politik einmischt, heißt das noch lange nicht, dass sich die Politik nicht bei ihm einmischt.
Sein Vortrag “How to survive the Web without embracing it” steht unter http://make.tv/republica2009/show/18685 frei zugänglich im Internet. Nur am Rande zur Person Doctorows: laut englischer Wikipedia waren seine Eltern trotzkistische LehrerInnen.
Booklink: „Wem gehört das Wissen der Welt?“
_ Der erste „Wissensallmende Report“ des Netzwerks Freies Wissen ist erschienen
Die aus Attac hervorgegangene und in diesem Blog bereits einmal („NGO für Schutz und Ausbau der Wissensallmende„) vorgestellte NGO „Netzwerk Freies Wissen“ hat kürzlich erstmals einen sogenannten „Wissensallmende Report“ publiziert. Unter Ägide von Petra Buhr und commonsbloggerin Silke Helfrich versammelt der Report ein buntes Spektrum an Anwendungsbeispielen von und für Freies Wissen in all seinen Formen: Die Palette ist noch weiter als im Band „Freie Netze. Freies Wissen.“ und umfasst neben „Klassikern“ wie Freie Software, Open Access auch Bereiche kooperative Entwicklung von Medikamenten oder traditionelle Saatgutbanken zur Erhaltung biologischer Vielfalt.
Besonder verbreitenswert ist aber die lange Liste an Vorschlägen als Antwort auf die Frage „Was können Sie tun?“ zum Abschluss des Reports. Als letzter Punkt wird dabei vorgeschlagen, auf den Wissensallmende Report in Blogs oder Webseiten zu verweisen. In diesem Sinne der Verweis auf den Report im Volltext.
23. April als „Tag des alternativen Urheberrechts“ [Update]
_ Linzer Kontrastprogramm zu den Lobbying-Events der Musikindustrie
Während der Branchenverband der Musikindustrie IFPI Austria den „Tag des Buches“ bzw. „des Urheberrechts“ zum Anlass für eine österreichweite Lobbying-Aktion nimmt – konkret ist das Anschlagen eines „Manifests des geistigen Eigentums“ in allen Landes- und den größten Bezirkshauptstädten geplant (vgl. netzpolitik) -, wird es in Linz an diesem Tag um Alternativen zum bestehenden Urheberrechtsregime gehen.
Auf einem Flugblatt (PDF) erklären jungen Gemeinderatskandidatinnen und -kandidaten sowie Jugendorganisationen der Linzer Sozialdemokraten, warum übermäßiger Urheberrechtschutz schädlich für Kreativität und Innovation ist und stellen folgende Forderungen auf:
- Freiheit muss Standard werden: Wer statt proprietärer auf Freie Software setzen oder statt „all rights reserved“ ein Dokument als Creative Commons veröffentlichen möchte, muss sich rechtfertigen. Wir fordern umgekehrt einen Rechtfertigungszwang für die Verwendung nicht-freier Lizenzen bei Software, Dokumenten und Vergabe öffentlicher Aufträge.
- Schul- und Lehrbücher befreien: Insbesondere aber im Bildungswesen soll es mittelfristig ausschließlich Freie Lizenzen geben. Besonders dringlich ist das im Bereich von Lehr- und Lernunterlagen. Gerade das Schulbuchwesen ist ohnehin kein „freier Markt“. Wir fordern Schulbücher und universitäre Lehrbücher unter freien Lizenzen online zugänglich zu machen.
- Freie Internet-Grundversorgung: Sämtliche neuen Möglichkeiten, die durch freien Lizenzen und freien Zugang zu digitalen Inhalten entstehen, sind für Menschen ohne Zugang zum Internet wertlos. Im 21. Jahrhundert ist der Internetzugang eine Basisinfrastrukturleistung wie die Anbindung an das Verkehrsnetz. Wir fordern eine kostenlose Internet-Grundversorgung für alle BürgerInnen.
- Tauschbörsen Entkriminalisieren: Mit der Kriminialisierung von Filesharing im Internet wird mit völlig unverhältnismäßigen Mitteln versucht, ein überkommenes Geschäftsmodell der Verwertungsindustrie ins digitale Zeitalter zu retten. Wir fordern stattdessen die sofortige Entkriminalisierung von Internet-Tauschbörsen und die Diskussion über die Einführung einer „Kulturflatrate“.
Zu letzterem, nämlich der Einführung einer „Kulturflatrate“ liefert netzpolitik ein äußerst hörenswertes Podcast-Interview mit Volker Grassmuck. Als Sujet aufgegriffen wurde das Motiv der Kampagne „Die Freiheit, die sie meinen?“ – was dank der dort verwendeten Creative Commons Lizenz einfach möglich war.
Neben weiteren Informationsmaterialen werden an die Mitglieder des Linzer Gemeinderats vor dessen heutiger Sitzung Buttons mit Motiven wie „Downloader“/“Downloaderin“, „Freies Wissen“ oder dem Linux-Pinguin „Tux“ verteilt. Musikalisch untermalt werden die Aktionen von Creative-Commons-lizenzierter Musik von den Samplern der Marburger Open Music Contests .
Außerdem kritisiert die HochschülerInnenschaft an der Linzer Johannes Kepler Universität in einer Aussendung das „Urheberrecht brems[e] Wissenschaft“ und verweist auf ihr im Aufbau befindliches „Open Courseware Projekt“ (ocw.oeh.jku.at). Mehr Informationen zu Open Courseware liefert das dritte Kapitel „Offene Lehre ist freie Lehre ist gute Lehre“ des Bands „Freie Netze. Freies Wissen.“
[Update]
Von der Aktion kursiert mittlerweile auch ein Video auf YouTube:
Berliner Open-Source-Potenzialanalyse: Wie man es NICHT machen sollte
_ Ergebnisse einer Berliner Open-Source-Studie enttäuschen
Linz ist keineswegs die einzige Stadt, in der sich in sachen Freies Wissen im Allgemeinen und Freier/Open Source Software im speziellen etwas tut. Stuttgart nennt sich bereits seit längerem und wohl auch zu Recht “ Open Source Region“ und noch bevor in Linz eine Potenzialanalyse zum gleichen Thema in Auftrag gegeben wurde (vgl. „Großraum Linz soll „Open Source Region“ werden„), hat die deutsche Bundeshauptstadt Berlin eine ebensolche vergeben.
Deren Ergebnisse liegen nun vor und sind – zumindest nach dem, was bislang bekannt ist – enttäuschend (vgl. Bericht auf netzpolitik.org). Und zwar nicht, weil es in Berlin kein Potential für Open Source Software gäbe, sondern weil die Studie nur an der Oberfläche des Phänomens kratzt. Mittels Online-Umfrage wurden statistische Zahlen erhoben und einige allgemeine Empfehlungen wie die Gründung von Arbeitskreisen abgeleitet. Konkretere Projektvorschläge, z.B. wie gezielte Förderung von Open-Source-bezogenen Dienstleistungen oder die stärkere Verwendung von Freier/Open Source Software in der Region aussehen könnte finden sich nicht in der Studie.
In Linz sieht es derzeit so aus, als ob die Studie nicht durch ein Beratungsunternehmen sondern in Kooperation mit WirtschaftsinformatikerInnen an der Johannes Kepler Universität durchgeführt wird, zumindest lässt die Ankündigung einer diesbezüglichen Lehrveranstaltung für das kommende Sommersemester darauf schließen. In der Beschreibung der Lehrveranstaltung sind für die Studierenden folgende Aufgaben vorgesehen:
# Bestandsaufnahme über Open-Source-Aktivitäten im Großraum Linz: Es werden bestehende Aktivitäten in Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Gesellschaft erfasst und zwar sowohl im Bereich Open-Source-Software als auch hinsichtlich allgemeiner Open-Source-Aktivitäten (z.B. Creative Commons, Open Street Map, Wikis etc).
# Darstellung der kritischen Erfolgsfaktoren für Open-Source-Projekte: Es werden Open-Source-Projekte im Hinblick auf kritische Erfolgsfaktoren untersucht. Damit sollen anhand repräsentativer Beispiele insbesondere die Erfahrungen, die über den Erfolg bzw. Misserfolg von Open-Source-Projekten Auskunft geben, systematisch dargelegt werden.
# Beispiele für Open-Source-Regionen: Es werden Beispiele für konkrete Umsetzungen von Open-Source-Initiativen auf kommunaler Ebene identifiziert und solche im deutschsprachigen Raum analysiert.
# Recherche über Chancen und Risiken beim Open-Source-Einsatz: Es werden die politischen, technologischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Chancen und Risiken erhoben und systematisiert. Die Ergebnisse dieser Recherche sind eine wesentliche Voraussetzung für eine realistische Einschätzung der Zweckmäßigkeit und Machbarkeit einer Open-Source-Region im Großraum Linz.
# Kriterienkatalog zur Identifikation von Open-Source-Einsatzgebieten: Es wird ein Kriterienkatalog entwickelt, der es erlaubt, mögliche Einsatzgebiete für Open Source (insbesondere für den Einsatz von Open-Sorce-Software) zu identifizieren. Der Kriterienkatalog ist so gestaltet, dass die verwendeten Merkmale klar definiert sind und auch Nicht-Experten die Auswahlergebnisse nachvollziehen können.
Dieses Programm ist schon deutlich breiter und lässt auf (viel) bessere Ergebnisse hoffen, als in der Berliner Studie. Wir sind gespannt.
Zwei Jahre „Freie Netze. Freies Wissen.“
_ Zwischenbilanz zwei Jahre nach der Veröffentlichung von „Freie Netze. Freies Wissen.“ – von Leonhard Dobusch und Christian Forsterleitner
Seit 1. Jänner 2009 ist Linz Kulturhauptstadt Europas. Bereits vor zwei Jahren ist zu diesem Anlass der Band „Freie Netze. Freies Wissen.“ erschienen und gleichzeitig auch diese Homepage online gegangen. Zeit, Zwischenbilanz zu ziehen. Damals wie heute woll(t)en wir vor allem drei Ziele verfolgen, denen auch die Dreiteilung der Kapitel in Text, Interviews und Projektvorschläge entspricht:
- Speaking to the (not yet) converted: Hauptziel von “Freie Netze. Freies Wissen.” war und ist es, Menschen zu erreichen, die mit den Hintergründen von freiem Wissen, freier Software, freien Lizenzen und freien Inhalten noch nicht völlig vertraut sind. Deshalb die einführenden Texte in den neun Kapiteln, deshalb der Versuch einfach und verständlich zu formulieren, deshalb das umfassende Glossar.
- Abstrakten Themen Gesichter geben: Vieles rund um freie Netze und freies Wissen ist wenig anschaulich, Projekte wie Wikipedia sind so hilfreich wie anonym. In Interviews mit Menschen wie Lawrence Lessig (Kapitel 2) oder Volker Grassmuck (Kapitel 9) wollten wir den zahlreichen Initiativen und Themen Gesichter geben, Menschen hinter den Projekten zu Wort kommen lassen.
- Konkrete und kommunale Vorschläge machen: Die Projektvorschlage am Ende jeden Kapitels sollten zeigen, dass trotz des globalen Charakters der Themen lokales Handeln möglich und gefragt ist. Außerdem wollten wir damit auch ein Umdenken und Handeln in unserer Heimatstadt Linz anregen.
Hinsichtlich der ersten beiden Ziele wollen wir uns selbst kein Urteil anmaßen, verweisen im folgenden aber kurz auf die Rezeption des Bandes in Print- und Onlinemedien. Danach liefern wir einen kurze Überblick betreffend die verschiedenen Projektvorschläge. Beides ist ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Rezeption
Am meisten Resonanz und Zuspruch hat „Freie Netze. Freies Wissen.“ in der Blogosphäre erfahren. Von kurzen Erwähnungen (z.B. phlow.net, schockwellenreiter.de, histnet) über Empfehlungen (z.B. musikdieb.de, antischokke, meinparteibuch, digital:meditation, kakanien, maikatze, iloveklimawandel) bis hin zu ausführlichen Einträgen (z.B. keimform, datenschmutz.net) reicht die Bandbreite. Besonders gefreut haben uns aber auch die positive Buchbesprechung im c’t-Magazin (Ausgabe 08/2007, leider nur gegen Bezahlung online verfügbar), die Berichterstattung der ORF-Futurezone, die Besprechungen auf politik-digital.de und in at.venture (PDF) sowie mehrere Beiträge von ORF-Oberösterreich. Klarerweise gab es auch eher kritische Würdigungen wie durch Aileen Derieg auf servus.at, auf derstandard.at sowie durch Stefan Weber in Telepolis (vgl. zu letzterem eine kurze Replik).
Vereinzelt wurde von den Möglichkeiten der CC-Lizenzierung des Bands Gebrauch gemacht und das ganze Buch (z.B. gedankenhabitat, olsrexperiment) gehostet oder Auszüge davon (z.B. blog.podcast.de ) wiederverwertet.
Abgesehen von der schriftlichen Rezeption wurde das Buch oder einzelne Projekte daraus auch bei verschiedenen Anlässen präsentiert, unter anderem beim Webmontag im Berliner newthinking store, im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung im Wiener net.culture.space , im Hauptprogramm der Ars Electronica 2008, sowie im Rahmen der Radio Fro Mediadays 2008.
Projekte
Hinsichtlich der vorgeschlagenen Projekte zeigt sich ein prinzipiell positives Bild mit einigen Schönheitsfehlern: Zumindest in Linz hat „Freie Netze. Freies Wissen.“ dazu geführt, dass sich eine Reihe von Menschen in unterschiedlichen Bereichen (größtenteils: erstmalig) mit dem Themenfeld auseinandergesetzt haben. Als erstes konkretes Ergebnis gab es kürzlich zu vermelden, dass seit Jahresbeginn die Kulturförderung bei Nutzung von freien Lizenzen einen Bonus in Höhe von 10 Prozent vorsieht (vgl. „Zusätzliche Förderung für Nutzung freier Lizenzen ab 01.01.2009″).
Am spannendsten ist aber sicherlich eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern der städtischen IT-Abteilung, des Wissensturms (Bibliothek & Volkshochschule) und einigen AutorInnen von „Freie Netze. Freies Wissen.“, die unter dem Titel „Wissensraum Linz“ versucht, mehrere Projekte gemeinsam und aufeinander bezogen voranzutreiben. In diesem Zusammenhang wurden im Linzer Gemeinderat auch zwei Anträge beschlossen, einer zum Thema Freie Software („Großraum Linz soll Open Source Region werden“) und einer zur Einrichtung eine Public Space Servers für freien Webspace als BürgerInnenrecht („Linzer Gemeinderat für Webspace als BürgerInnenrecht“). Schönheitsfehler dieser Entwicklung sind ihre bislang spärlichen Ergebnisse, so ist die Fertigstellung einer Machbarkeitsstudie zum Public Space Server inzwischen mehr als überfällig. Auch hinsichtlich einer Ausweitung der Internet-Grundversorgung hat sich in den letzten beiden Jahren abgesehen von der bereits zuvor geplanten Errichtung weiterer WLAN-Hotspots nichts getan.
Umso erfreulicher ist im Vergleich dazu die Entwicklung auf der Linzer Johannes Kepler-Universität: Die Einrichtung zumindest eines Master-Studiengangs der Webwissenschaften ist bereits auf Schiene ( „Webwissenschaften an der JKU in Planung [Update]“) und die HochschülerInnenschaft hat mittlerweile ein eigenes OpenCourseWare-Projekt unter ocw.oeh.jku.at gestartet.
Fazit
Dafür, dass erst zwei Jahre vergangen sind, ist seit dem Erscheinen von „Freie Netze. Freies Wissen.“ eine Menge passiert. Andererseits sind zwei Jahre im Internetzeitalter eine kleine Ewigkeit, ist manches im Buch nicht mehr aktuell und wäre im einen oder anderen Projekt mehr möglich gewesen. Aber vielleicht ist gerade das Kulturhauptstadt- und Wirtschaftskrisenjahr 2009 eine Möglichkeit, hier noch einmal neuen Schwung zu holen. Zumindest in Linz aber sind freie Netze und freies Wissen auf der Agenda. Auch in den kommenden zwei Jahren.
Zusätzliche Förderung für Nutzung freier Lizenzen ab 01.01.2009
_ Umsetzung des Gemeinderatsbeschlusses sieht „Belohnung“ für Wahl freier Lizenzen vor
Nachdem der Linzer Gemeinderat bereits vor mehr als einem Jahr einstimmig per Antrag (PDF, vgl. “ Stadt Linz fordert und fördert freie Lizenzen„) die Abteilung „Linz Kultur“ mit der Überarbeitung ihrer Förderkriterien beauftragt hatte, um die erhöhte Förderwürdigkeit von (Kunst-)Werken zu berücksichtigen, die unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden, treten diese erneuerten Förderkriterien nun mit 01.01.2009 – rechtzeitig zum Beginn des Kulturhauptstadtjahres Linz 2009 – in Kraft.
In Zukunft sollen Werke mit einem Pauschalaufschlag von zusätzlichen 10% über dem von der Stadt erarbeiteten Fördervorschlag unterstützt werden, die unter einer freien Lizenz (wie z.B. Creative Commons) zugänglich gemacht werden. Konkret müssen FörderwerberInnen folgender Verpflichtungserklärung zustimmen, um in den Genuss der erhöhten Förderung zu kommen:
„Ich erkläre, UrheberIn des Werkes zu sein und über die Urheberrechte am geförderten Werk zu verfügen. Ich erkläre mich bereit, nach Förderungszuerkennung durch die Stadt Linz und spätestens fünf Wochen nach Fertigstellung des Werkes dieses unter einer freien Lizenz im Internet zu veröffentlichen und veröffentlicht zu halten. Ich behalte mir das Recht der Urhebernennung und die Einschränkung der Werknutzung auf nichtkommerzielle Zwecke in jedem Fall der Veröffentlichung vor. „
Auf der Homepage Stadt Linz finden sich die genauen Richtlinien für die Kulturförderung, inklusive einem Informationsblatt (PDF) zum Thema freie Lizenzen. Auf diesem findet sich auch ein Hinweis darauf, dass „KünstlerInnen, die bereits einen Vertrag mit einer der jeweils spartenspezifischen Verwertungsgesellschaften abgeschlossen haben (Austro Mechana, AKM, Literar Mechana, VBK, VAM, VBT u.a.) abgeschlossen haben, in keinem Fall berechtigt sind, Verträge über Creative Commons Lizenzen abzuschließen. Sie bleiben damit von der Möglichkeit einer erhöhten Förderung ausgeschlossen.“ Es ist also an der Zeit, dass die Verwertungsgesellschaften ihren Mitgliedern die Nutzung freier Lizenzen zumindest für Teile ihrer Arbeit zugestehen.
Diplomarbeit zu Webwissenschaften an der Linzer Universität
_ Machbarkeitsstudie von „Freie Netze. Freies Wissen.“-Autor Stefan Pawel
Wie in diesem Blog bereits berichtet , ist an der Linzer Johannes Kepler Universität bereits eine vom Senat der Universität eingerichtete Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung eines Studienplans der Webwissenschaften befasst. Stefan Pawel, einer der beiden „Freie Netze. Freies Wissen.“-Autoren, die in Kapitel 9 als Projekt die Einrichtung dieser Studienrichtung angeregt hatten, hat nun zu diesem Thema auch seine Diplomarbeit vorgelegt. Sie steht unter einer Creative-Commons-Lizenz und ist als PDF auch in digitaler Form verfügbar. Im Abstract heißt es zu den Inhalten der Arbeit:
Mit Hilfe von offenen, leitfadenorientierten ExpertInneninterviews wurden fünfzehn ExpertInnen der Johannes Kepler Universität Linz, der Kunstuniversität Linz und der Stadt Linz befragt, um ihre Bereitschaft zur Mitarbeit an einem Studium der Webwissenschaften, ihren Wissensstand zum Phänomen Web und das Angebot an möglichen Lehrveranstaltungen zu erheben.
Ebenfalls zum Thema „Webwissenschaft“ erschienen ist kürzlich im LIT-Verlag ein von Konrad Scherfer herausgegebener Sammelband unter dem Titel „Webwissenschaft – Eine Einführung„.
Großraum Linz soll „Open Source Region“ werden
_ Gemeinderat gibt einstimmig Potenzialanalyse in Auftrag, Migration und Open-Source-Kompetenzzentrum als Ziel
Während sich die bereits beschlossenen Anträge zur Förderung freier Lizenzen und Inhalte sowie zur Einrichtung eines “ Linz Public Space Server“ noch in der Umsetzungsphase befinden, wurde in der gestrigen Sitzung des Linzer Gemeinderats ein weiterer Antrag ( PDF) im Themenbereich von „Freie Netze. Freies Wissen.“ beschlossen: Ziel ist die Entwicklung des Großraums Linz zur „Open Source Region.“ Konkret wurde folgendes beschlossen:
Die IT wird beauftragt, eine Potentialanalyse mit Umsetzungskonzept in Auftrag zu geben,
wie der Großraum Linz zur Open-Source Region werden kann, welche Programme auf Open-Source-Software umgestellt werden können und wie das Ziel des Aufbaus eines Open-Source-Kompetenz-Zentrums als Zentrale Anlaufs- und Koordinationsstelle erreicht werden kann.
In der Antragsbegründung werden außerdem kurz-, mittel- und langfristige Ziele der „Open-Source-Offensive“ angeführt:
• Kurzfristig: Offene Datei-Standards und Formate sollen weiterhin unterstützt und wo möglich bereits auf freie Software umgestellt werden. Eine Potentialanalyse zum Thema „Open-Source-Region Linz“ kann Möglichkeiten innerhalb der Verwaltung, der Unternehmensgruppe Linz, den Unternehmen und der Wissenschaft aufzeigen.
• Mittelfristig: Sämtlicher Datenverkehr in der UGL und im Magistrat sollte auf offene Standards umgestellt werden. Erste Schritte zum Aufbau einer Open-Source-Gemeinde in der Region sollten gesetzt werden (z.B. Einbeziehung der Erfahrungen von Unternehmen und Universitätsinstituten in der Region). Eine Tagung zum Thema Kooperationen von Verwaltungen die Open-Source-Software einsetzen kann wertvollen Wissenstransfer liefern.
• Langfristig: Eine IT-Strategie mit selbst gewählten Erneuerungszyklen und Entwicklungszielen, unabhängig von strategischen Herstellerentscheidungen soll verfolgt, sowie Engagements in verwaltungsübergreifender Open-Source-Entwicklungszusammenarbeit sollen gesucht werden.
Andere Kommunen wie beispielsweise die Stadt München mit ihrem „LiMux„-Projekt sind im Bereich Freie und Open Source Software zwar schon um einiges weiter als die Stadt Linz – so hat München kürzlich ihr selbst entwickeltes OpenOffice-Tool “ Wollmux“ bereits anderen Verwaltungen zur Verfügung gestellt -, mit dem gestrigen Beschluss sollte nun auch in dieser Richtung etwas mehr in Bewegung geraten.
Booklink: „Windows versus Linux“
_ Leonhard Dobusch im Netzpolitik-Podcast anlässlich seines neuen Buches über Freie Software in München, Berlin, Wien und Frankfurt
Bereits im September dieses Jahres ist im VS Verlag für Sozialwissenschaften der Band “ Windows versus Linux: Markt – Organisation – Pfad“ erschienen, in dem „Freie Netze. Freies Wissen.“-Herausgeber Leonhard Dobusch aus organisationstheoretischer Sicht die Versuche großer Stadtverwaltungen analysiert, Freie und Open Source Software am Desktop einzuführen. Der Klappentext lautet dabei wie folgt:
Sind Verwaltungsbürokratien als Vorreiter technologischer Innovation vorstellbar? Können einzelne, große Organisationen als Nachfrager in einem Markt Monopole überwinden helfen, wo Wettbewerbsbehörden hilflos sind? Stadtverwaltungen wie jene in München und Wien werfen mit ihrem Wechsel von Windows auf Linux am Desktop genau diese Fragen auf. Ein Vergleich von Berlin, Frankfurt/M, München und Wien zeigt, wie Organisation und Technologie erst im Zusammenspiel zu einem „Lock-in“ auf Windows führen – und wie und warum Akteure trotz aller Umstellungshürden (Diskurs-)Koalitionen für einen Wechsel zu Freier/Open Source Software schmieden. Dabei dokumentiert der Band, dass und was auch Unternehmen von Stadtverwaltungen im IT-Bereich lernen können.
Auf netzpolitik.org ist zu den Ergebnissen dieser Studie sowie über ein aktuelles Forschungsprojekt am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung zum Thema „Der Streit ums Urheberrecht“ ein Gespräch zwischen Markus Beckedahl und Leonhard Dobusch als Podcast (MP3/ OGG, jeweils ca. 40 MB) verfügbar.